Im Gespräch mit Kirsten Reko
Ein persönliches Selbstinterview, das Einblicke in ihr Buch
"Depressonia" gibt.
Kommen wir zu ihrem aktuellen Buch. Worum geht es in "Depressonia"?
In "Depressonia" geht es um die Symptome einer Depression — nicht nur als Diagnose, sondern als innere Landschaft. Die zentrale Metapher ist die „Spinne im Kopf“: ein leises, wiederkehrendes Netz aus Gedanken, das Einengung, Lähmung und das Kreisen negativer Ideen beschreibt.
Warum die Metapher „Spinne im Kopf“?
Die Spinne vermittelt für mich zwei Eigenschaften: Das Netz, in dem sich alles verheddert und fängt, und die Unsichtbarkeit der Ursache. Die Metapher macht deutlich, wie Gedanken sich verfangen, wie sich Handlungsfähigkeit einschränkt und wie Angst und Scham leise, aber wirkmächtig werden.
Welche Symptome beschreiben Sie im Buch besonders eindrücklich?
Ich habe versucht alle Symptome literarisch zu verdichten, um ihre Gefühlsqualität erfahrbar zu machen.
Wie zeigt sich die „Spinne“ konkret im Alltag der Betroffenen?
Die Spinne zeigt sich als etwas Unsichtbares: der Verlust an Selbstvertrauen, die Unfähigkeit, Freude zuzulassen. Oft sind es die kleinen Momente: der leere Blick, wenn der Partner sich Nähe wünscht oder das unauffindbare Wort, die das Netz sichtbar machen.
Wie vermeiden Sie Pathologisierung oder Stigmatisierung?
Indem ich die Krankheit als Krankheit darstelle. Die Spinne ist eine Metapher, kein Urteil. Ich achte darauf, Symptome sensibel darzustellen und Raum für Empathie und Verständnis zu lassen. Das Buch soll ja vor allem auch als Gesprächseinstieg dienen.
Gibt es Szenen, die besonders schwer zu beschreiben waren?
Ja, eine Szene, in der es um das verschwiegene Thema Alkohol als Betäubung der Spinne, also der Depression geht. Dies erfordert eine Balance zwischen sprachlicher Reduktion und emotionaler Tiefe, damit die Lesenden sich nicht angegangen fühlen.
Wie kann die Metapher der Spinne Leserinnen und Lesern helfen?
Sie bietet ein Bild, das Gefühle greifbar macht. Wer selbst ähnliche Erfahrungen hat, kann in der Metapher vielleicht das eigene Erleben erkennen und benennen. Das kann tröstlich sein, weil es Pathos reduziert und zugleich die Isolation durch Sprache aufbricht.
Vermitteln Sie im Buch auch Strategien oder Hoffnung?
Das Buch ist kein Ratgeber. Es zeigt aber, wie kleine Handlungen, zwischenmenschliche Nähe und das Benennen der eigenen Erfahrung Brücken bauen können. Hoffnung entsteht durch Verbindung, nicht durch simple Lösungsslogans.
Ist "Depressonia" auch für Angehörige geschrieben?
Auf jeden Fall. Ich hoffe, dass Angehörige durch die literarische Perspektive besser verstehen, wie sich Symptome anfühlen, wie schwer es ist, Hilfe anzunehmen, und warum Geduld oft wichtiger ist als schnelle Ratschläge, denn auch Ratschläge können Schläge sein.
Welches Feedback wünschen Sie sich von Leserinnen und Lesern?
Ich freue mich natürlich über positives aber vor allem über ehrliches Feedback: Welche Bilder haben geholfen, welche Szenen berührt, wo hätten Lesende mehr Kontext gewünscht? Vor allem erhoffe ich mir, dass das Buch Gespräche ermöglicht zwischen Betroffenen, Angehörigen und Fachleuten.
